Über die Schwierigkeiten ein Modell des "Kapitalismus" zu finden

oder

Existiert ein konsistentes Modell einer kapitalistischen Ökonomie

Erstauftritt: September 2008

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Bemerkung:
Im folgenden soll der Begriff "Kapitalismus" als Abkürzung für eine wie auch immer geartete Marktwirtschaft ("ökologische", "soziale", "grüne", "rote", "linke", "freie", usw.) stehen.

Problem:
"Die Unternehmer sagen: Löhne runter, weil sie Kosten sind.
Die Gewerkschaftsfunktionäre sagen: Löhne rauf, damit mehr gekauft werden kann. Dies kurbelt die Wirtschaft an."
Die Politiker sagen: Wählt uns, damit wir an den Knöpfen des großen Mischpults des "kapitalistischen" Wirtschaftssystems richtig drehen, um so die Wirtschaft den Menschen dienen zu lassen. Wem soll man "glauben"?
Und vor allem:
Warum soll man wem "glauben", wenn selbst die Verfechter einer kapitalistischen Ökonomie nicht einmal in der Lage sind
ein idealisiertes Modell dieses angeblich "zeitlich stabilen" Systems so präzise zu beschreiben,
daß es simuliert und auf einem Rechner implementiert werden kann.
Stichworte: agentenbasierte Modellierung, künstliches Wirtschaftssystem, Unterkonsumtionskrise, Unterkonsumtionstheorie, Überproduktionskrise

1. Gedankenexperiment:
Ein "guter" Unternehmensberater berät alle Unternehmen auf dem abgeschlossenen Wirtschaftssystem Planet Erde,
so dass alle Profit machen.
Dann bekommt der Unternehmensberater alle Unternehmen geschenkt.
Er hat damit ein Gesamtunternehmen.
Macht dieses Gesamtunternehmen auch Gewinn ?

2. Gedankenexperiment:
Modellvoraussetzungen:
V1)
Jeder Unternehmer wird in seinem Unternehmen als Geschäftsführer beschäftigt.
Er spielt in dieser Hinsicht die Rolle eines Beschäftigten
und bekommt - wie alle anderen Beschäftigten - einen Lohn ausgezahlt.
V2)
Jedes Unternehmen darf nur so viel Lohn auszahlen, dass es noch Gewinn macht.
V3)
Löhne = 0
2 Unternehmer U1 und U2, kein Zins
Profitrate := output/input = 2

Schritt 1:
U1 besitzt Anfangswaren, die es zum Preis P an U2 verkauft.
Kontostand nach dem Verkauf:
U1             U2
P              -P
Schritt 2:
U2 macht aus den zum Preis P eingekauften Waren neue Waren zum Preis 2P (weil Profitrate=2) und verkauft sie an U1. Kontostand nach dem Verkauf:
U1             U2
-P              P
Schritt 3:
U1 macht aus den zum Preis 2P eingekauften Waren neue Waren zum Preis 4P (weil Profitrate=2) und verkauft sie an U2. Kontostand nach dem Verkauf:
U1             U2
3P             -3P
Schritt 4:
U2 macht aus den zum Preis 4P eingekauften Waren neue Waren zum Preis 8P (weil Profitrate=2) und verkauft sie an U1. Kontostand nach dem Verkauf:
U1             U2
-5P            5P
...
Man sieht:
Die Kontenstände wachsen über alle Grenzen (Kollaps).
Wie kann man das Modell abändern, damit die Parameter nicht über allen Grenzen wachsen?

Das Gleiche als Powerpoint-Präsentation: simulation1.ppt

3. Gedankenexperiment:
1)
Firmen sollen Gewinne machen, damit der Staat diese besteuern und damit existieren kann.
So sagt es zumindest die "Theorie" bzw. die Standarderzählung.
Wenn einige Firmen im _Durchschnitt_ über eine lange Zeit (in the long run) immer Gewinne machen,
dann bedeutet das, dass diese immer (im Durchschnitt) mehr verkaufen müssen als einkaufen. (auf Gedleinheiten bezogen).
Das bedeutet, dass es Firmen geben muss, die im Durschnitt immer mehr einkaufen als verkaufen.
Das sind dann die Verlierer, denn die gehen Pleite.
Bei einem Modell mit z.B. genau 2 Unternehmern A und B macht A genau dann laufend Gewinne,
wenn er mehr Waren an B verkauft als von diesem einkauft.
Das bedeutet, daß B mehr Waren einkauft als an A verkauft, was bedeutet, daß B laufend Verluste macht.

2)
Um das zu vermeiden, müssen alle Firmen im _Durchschnitt_ den Gewinn 0 machen.
Das sind dann aber auch Verlierer (Nullsummenspiel).
Denn bei einer Firma die im _Durchschnitt_ den Gewinn 0 macht, wird sich vermutlich kein Kapitalist
darauf einlassen sein Kapital (Geld) in diese Firma zu investieren, da dieses nicht vermehrt wird.
Warum soll er eine Investition (=Spekulation, bei der man auch verlieren kann!) tätigen, die sich nicht für ihn lohnt?
Es findet keine Kapitalverwertung mehr statt.
Die Firma fliegt auch aus dem Markt raus und geht Pleite.

3)
Frage:
Wie soll eine kapitalistische Ökonomie zumindest theoretisch (als Modell) - in the long run - krisenfrei funktionieren ?
Ist es z.B. noch notwendig, daß ein Staat (mit Staatsverschuldung) und Banken in das Modell integriert werden?
Wie genau soll ein möglichst einfaches Modell aussehen?
Zur Vereinfachung wurden in diesem Modell die Löhne der Beschaftigten mit 0 angesetzt.

Aktuelles Fazit:


Meine Interpretation (nach vielen Befragungen von "Experten"):
Mir kommt es so vor, als ob sich "alle" (auch _widersprechende_) ökonomischen Ratschläge (wie z.B. "Löhne rauf", bzw. "Löhne runter") aus der Volkswirtschaftslehre "ableiten" lassen (Rechtfertigungslehre).

Lösungsversuche und Ansichten:
Anfragen an "Experten" aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
Selbst gebastelte Modelle (Word-Datei)
Blog-Website von Hajosli
Blog-Website von Renee Menendez
Der Kapitalismus - ein Kettenbriefsystem. Argumente vom Wirtschaftswissenschaftler und kapitalistischem Befürworter Paul C. Martin
Website von Mathematik Prof. i.R. Ortlieb, ehemals Leiter des "Zentrum für Modellierung und Simulation" in Hamburg.
Website von Politikwissenschaftler und Mathematiker Michael Heinrich
Website von Kybernetik Prof. (emeritiert) Peter .Fleissner
Vorlesung Heterodoxe Ökonomie von Prof. Frank Beckenbach
Transformationsproblem von Prof. Frank Beckenbach
Transformationsproblem von Prof. Frank Beckenbach
Saral Sarkar: Die Krisen des Kapitalismus
Netzwerk plurale Ökonomik
Website vom technischen Mathematiker Dr. Erhard Glötzl
Dr. Erhard Glötzl: kybernetische Stabilitätsuntersuchung des Geldsystems
Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung
Oliver Richters - physikalische Rahmenbedingungen des Wirtschaftens sowie Wachstumszwänge
Vereinigung für ökologische Ökonomie
Institut für zukunftsfähige Ökonomien
Diskussion auf dem Matheplaneten über eingebaute Wachstumslogik einer kapitalistischen Ökonomie
Druckversion: Diskussion auf dem Matheplaneten über eingebaute Wachstumslogik einer kapitalistischen Ökonomie

Dazu ein interessanter Artikel in "Spektrum der Wissenschaft", November 2015, S. 18

Das Märchen von der Selbstregulation des Marktes
Auf dem Energiesektor führt das freie Spiel der Kräfte zum Kollaps
Die Wirtschaft ist - wie das Wetter - ein komplexes Phänomen, das sich nicht durch einfache Modelle beschreiben lässt.
Doch während niemand auf die Idee käme, ein Klimamodell aufzustellen, in dem der lokale Ausgleich der Temperaturunterschiede
global zu dauerhaft mildem Wetter führt, behauptet das Standardmodell der Marktwirtschaft genau dies:
Angebot und Nachfrage pendeln sich in freiem Wechselspiel zu Preisen ein, welche die optimale Verteilung aller Güter garantieren.
...
An der Universität Bremen hat nun eine Gruppe theorischer Physiker um Stefan Bornholdt die "Ökonophysik anpassungsfähiger Energiemärkte"
untersucht und in Simulationen demonstriert, dass solche Märkte zu katastrophalem Kollaps neigen (Physical Review E92, 012815, 2015).
...


Meine Kritik der kapitalistischen Ökonomie mit kybernetischen und spieltheoretischen Argumenten




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