GEGENREDE
Datum: 11.8.2008
Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihre E-mail vom 6. August, welche ich mit großem Interesse gelesen habe.
Eine Antwort auf Ihre Fragen füge ich Ihnen bei.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Ackermann, MdB
Jens Ackermann, MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel. 030 / 227 71493
Fax 030 / 227 76154
e-mail: Jens.Ackermann@bundestag.de
Jens Ackermann ist Obmann der FDP im Petitionsausschuss und Sprecher für Petitionen der FDP-Bundestagsfraktion.
Jens Ackermann ist Sprecher für Rettungsdienste und Krankenpflege der FDP-Bundestagsfraktion
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Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihre wirtschaftspolitischen Anfragen an die von Ihnen
angeschriebenen Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion .
1. Wie steht die FDP zu der Aussage, es gäbe kein funktionierendes Modell
des "Kapitalismus"?
Die FDP im Deutschen Bundestag teilt diese Aussage nicht.
Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist zunächst auf die Unbestimmtheit des
Begriffs "Kapitalismus" hinzuweisen. In der wissenschaftlichen Literatur findet
sich eine Vielzahl an teils widersprüchlichen Definitionen. Der im Wesentlichen
aus dem 16. Jahrhundert stammende Begriff wurde historisch emotional
diskreditiert, weswegen im politisch-wissenschaftlichen Kontext von einer
Begriffsverwendung in der Regel Abstand genommen wird. Die von der FDP
im Deutschen Bundestag vertretene Wirtschaftsform ist die Soziale
Marktwirtschaft.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass jede ökonomische Modellbildung
durch Setzung von Modellparametern und Festlegung von Modellannahmen
tendenziöse Eigenschaften aufweist. Die mathematische Konstruktion
menschlicher Interaktionen kann deshalb Erkenntnisgewinne nur in
Detailfragen ermöglichen. Mit anderen Worten, jedes Modell ist darauf
angelegt, die Weltsicht des Modellbauers zu mindest in Teilbereichen zu
belegen.
Stringent ergibt sich, dass es nicht ein funktionierendes Modell geben kann,
sondern eine unbestimmte Anzahl.
2. Können Sie mir ein konkretes Modell (und zwar so konkret, dass man es
auf einem Computer softwaremäßig implementieren und simulieren kann)
mit ein paar konkreten Modellszenarien angeben, in dem das
"kapitalistische" Wirtschaftssystem nicht zu einer Überproduktion führt?
Die FDP im Deutschen Bundestag verfügt über keine maßgeblichen
Ressourcen, ökonomische Phänomene in abstrakten Modellen abzubilden und
diese durch Simulationen experimentell dem Falsifikationstest zu unterziehen.
Für die parlamentarisch-politische Arbeit der FDP ist die Hinterfragung einer
Überproduktionsneigung eines simplifizierten Wirtschaftssystems nicht von
hoher Bedeutung. Die zahlreichen marktwirtschaftlich orientierten Systeme auf
allen Kontinenten sind ein hinreichend empirischer Beleg dafür, dass
freiheitlich-soziale Wirtschaftsordnungen zeitlich stabil sind. Das Gesetz von
Angebot und Nachfrage sorgt mittelfristig dafür, dass eine optimale Allokation
von Ressourcen erfolgt, eine Überproduktion ergo verhindert wird.
Gleichwohl sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass zahlreiche staatliche
Interventionen auch andere Erscheinungen verursachen können. Exemplarisch
sei auf die übersubventionierte europäische Landwirtschaft im vergangenen
Jahrzehnt verwiesen, wo der Staat durch produktionsabhängige Zuschüsse
kolchoses Wirtschaftsverhalten verursacht hat.
Die FDP im Deutschen Bundestag wird sich deshalb auch in Zukunft dafür
einsetzen, eine möglichst freie Preis-Mengen-Bildung am Markt zu
ermöglichen und den Einsatz von Steuermitteln effizient zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Rutter
Steffen Rutter Referent für Wirtschaftspolitik
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Berlin-Mitte
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rutter@fdp-bundestag.de
GEGENREDE
Datum: 25.8.2008
Sehr geehrter Herr Rutter,
>Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass jede ökonomische
>Modellbildung durch Setzung von Modellparametern und Festlegung
>von Modellannahmen tendenziöse Eigenschaften aufweist.
>Die mathematische Konstruktion menschlicher Interaktionen kann
>deshalb Erkenntnisgewinne nur in Detailfragen ermöglichen.
>Mit anderen Worten, jedes Modell ist darauf angelegt, die
>Weltsicht des Modellbauers zu mindest in Teilbereichen zu
>belegen.
>
Das gilt genauso für die jeweilige "Schule" in den Wirtschaftswissenschaften (siehe unten).
>
>Die FDP im Deutschen Bundestag verfügt über keine maßgeblichen
>Ressourcen, ökonomische Phänomene in abstrakten Modellen
>abzubilden und diese durch Simulationen experimentell dem
>Falsifikationstest zu unterziehen.
>
Dann bitte ich um die Adressen der mit der FDP verbundenen "Denkfabriken",
damit ich diese befragen kann.
>
>Das Gesetz von Angebot und Nachfrage sorgt mittelfristig dafür,
>dass eine optimale Allokation von Ressourcen erfolgt,
>eine Überproduktion ergo verhindert wird.
>
In dieser Schlichtheit ausgedrückt stellt sich diese Argumentation für mich als eine Phrase dar, die mir genauso von Ihren politischer Gegnern in ähnlich einfacher, allerdings mit anderem Inhalt versehener, Form geliefert wird (siehe unten --> verschiedene "Schulen"). Genauso gut könnte man behaupten, dass sich durch das "Zusammenspiel" von Gravitation und Fliehkraft jeder Körper _immer_ auf einer konstanten Umlaufbahn bewegen wird.
Um solche Aussagen zu belegen, braucht man stabilitätstheoretische Untersuchungen an einem Modell oder empirische Langzeituntersuchungen, die über jeden Zweifel erhaben sind.
Da die verschiedenen "Schulen" der Wirtschaftswissenschaften sich widerspechen, ist es letztendlich ein "Glaubensbekenntnis", welcher Schule man "Glauben" schenken will. Betrachten Sie dazu in den Medien immer wieder vorgetragene Beispiele:
"Die Unternehmer sagen: Löhne runter, weil sie Kosten sind.
Die Gewerkschaftsfunktionäre sagen: Löhne rauf, damit mehr gekauft werden kann. Dies kurbelt die Wirtschaft an."
Wem soll ich "glauben"?
Mir kommt es so vor, als ob sich "alle" (auch _widersprechende_) ökonomischen Ratschläge (wie z.B. "Löhne rauf", bzw. "Löhne runter") aus den Wirtschaftswissenschaften "ableiten" lassen.
Warum soll ich Ihrer Argumentation _glauben_ und nicht einer anderen, Ihrer Argumentation widersprechenden (siehe z.B. verschiedene Artikel der Hans-Böckler Stiftung), vor allem, wenn z.B. Prof. Ortlieb (Zentrum für Modellierung und Simulation der Uni Hamburg)_logische_ Fehler in den verschiedenen _Standardlehrbüchern_ der Wirtschaftswissenschaften nachgewiesen hat?
Um von der "Glaubensfrage" wegzukommen und um diese meiner Meinung nach eher religiöse als wissenschaftliche Denkweise zu vermeiden, versuche ich wenigstens an einem Modell einen Hinweis auf die Möglichkeit einer funktionierenden "sozialen Marktwirtschaft" zu finden.
Leider bis jetzt ohne Erfolg.
1)
Nennen Sie mir bitte _konkret_ ein Land, dessen Wirtschaftsform Sie als "soziale Marktwirtschaft" bezeichnen und in der es keine Überproduktion gibt.
Mit welchen volkswirtschaftlichen Kennzahlen (Parametern) belegen Sie Ihre Behauptung?
2)
In den Wirtschaftswissenschaften gibt es sehr wohl Überproduktionstheorien, die Ihrer These widersprechen.
Sind diese alle falsch ? (Können Sie dies belegen)
mfg
...
GEGENREDE
Datum: 2.9.2008
Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25. August.
1. Die Bundestagsfraktion der FDP greift regelmäßig auf den wirtschaftspolitischen Sachverstand folgender Institute zurück:
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin
- Institut der deutschen Wirtschaft Köln
- Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut HWWI
- Institut zur Zukunft der Arbeit IZA
- ifo Institut für Wirtschaftsforschung
- Institut für Weltwirtschaft ifw
- Institut für Wirtschaftsforschung Halle IWH
- RWI Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
2. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass die Bundestagsfraktion der FDP nicht darauf abstellt, ökonomische Phänomene in abstrakten Modellen abzubilden und diese durch Simulationen experimentell dem Falsifikationstest zu unterziehen.
Für eine Vertiefung des Gesetzes über Angebot und Nachfrage empfehle ich Ihnen die Werke von Adam Smith, David Ricardo, Carl Menger, sowie Alfred Marshall und Léon Walras.
Der Vertrag von Lissabon schreibt die 'Soziale Marktwirtschaft' als Wirtschaftsordnung der Gemeinschaft fest. Die Mitgliedsstaaten haben sich bei der Formulierung des Vertrags auf diesen Grundsatz geeinigt. Auch die FDP im Deutschen Bundestag vertritt diese Wirtschaftsordnung, die in einem Spannungsfeld mit kollektivistischen Staatsplansystemen und individualistischem Marktradikalismus steht. Ein Element dieser freiheitlich-sozialen Wirtschaftsordnung ist, dass staatliche Organe keine Produktionsplanungen selbst vornehmen oder dirigistisch steuern.
Die FDP im Deutschen Bundestag setzt sich demnach dafür ein, dass eine staatlich verursachte Überproduktion durch Subventionen oder staatliches Wirtschaftsgebären nur im Rahmen des sozialpolitisch notwendigen erfolgt. Das Produktionsverhalten der Wirtschaftssubjekte soll von staatlichem Einfluss explizit nicht gesteuert werden, solange die Wahrung von Rechten Dritter erfolgt.
Mit besten Grüßen
Steffen Rutter
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FDP im Deutschen Bundestag
Referent für Wirtschaft
Steffen Rutter
Tel. 030/227-53104
Fax 030/227-56043
eMail: rutter@fdp-bundestag.de